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Sundar Pichai über Googles KI-Zukunft: Weiterhin viel Traffic für das Web

Zuversicht trotz KI-Suche

Nach der Google I/O-Entwicklerkonferenz äußerte sich Google-CEO Sundar Pichai in einem Interview zu den Auswirkungen der KI-Suche. Er betonte, dass Google auch in fünf Jahren noch nennenswerten Traffic an das Web senden werde. Zudem habe sich die Zahl der von Google crawlfähigen Webseiten in den vergangenen zwei Jahren um 45 Prozent erhöht. Damit wolle Google den offenen Charakter des Internets bewahren und zugleich von KI getriebene Innovationen einbinden.

Die KI als neue technologische Plattform

Pichai sieht im Aufkommen von Künstlicher Intelligenz eine ähnlich tiefgreifende Veränderung wie einst durch Elektrizität. Im Gespräch mit The Verge sprach er von einer neuen Phase des Plattformwandels. Im Unterschied zu früheren Entwicklungen wie dem Wechsel zum Mobilgerät sei KI die erste Plattform, die sich selbst weiterentwickeln und eigenständig neue Inhalte erschaffen könne.

Er verglich diese Entwicklung mit den Anfängen des Internets, etwa dem Start von Blogs oder der AJAX-Revolution, die Anwendungen wie Google Maps und Gmail ermöglichte. Dadurch werde die Produktentwicklung für viel mehr Menschen zugänglich, was einen multiplikativen Effekt für Innovationen mit sich bringe. Laut Pichai wird KI langfristig kreative und wirtschaftliche Kräfte in der Gesellschaft freisetzen, indem sie Barrieren abbaut und neue Werkzeuge für Unternehmen und Einzelpersonen schafft.

Mehr Inhalte, dynamischere Formate

Laut Pichai konsumieren Menschen heute deutlich mehr Informationen als früher. Gleichzeitig habe die Zahl der von Google gecrawlten Seiten um 45 Prozent zugenommen. Auch wenn teils spekuliert wurde, dieser Anstieg liege an KI-generierten Inhalten, erklärte Pichai, dass Google Qualitätsbewertungsverfahren nutze. Er sieht eine allgemeine Entwicklung hin zu dynamischen, plattformübergreifenden und vielseitigen Inhalten, bei denen Text, Audio, Video und interaktive Elemente immer stärker miteinander verschmelzen.

Ein besonderer Fokus liege auf der Fähigkeit von KI, nahtlos zwischen verschiedenen Formaten zu wechseln, ähnlich wie ein Übersetzer zwischen Sprachen. Damit könnten künftig Inhalte automatisch an den jeweiligen Kanal oder das Endgerät angepasst werden – von der Textsuche über Sprachassistenten bis hin zu Virtual-Reality-Umgebungen.

AI Overviews: Chancen und Bedenken für Publisher

Die Einführung der AI Overviews in der Google-Suche sorgt seit Monaten für Diskussionen. Diese automatisch generierten Antwort-Boxen, die direkt oberhalb der Suchergebnisse angezeigt werden, liefern KI-generierte Zusammenfassungen zu Suchanfragen. Verlage und Websitebetreiber befürchten, dadurch weniger Klicks auf ihre Seiten zu erhalten.

Auf die Kritik der News Media Alliance, Google verwende Inhalte ohne Gegenleistung, entgegnete Pichai, dass der neue AI Mode Quellen weiterhin hervorheben werde. Google habe ein Interesse daran, qualitativ hochwertige Inhalte sichtbar zu machen und Publishern weiterhin Traffic zuzuführen. Messungen hätten gezeigt, dass auch der Referral-Traffic mit längerer Verweildauer zunehme. Dennoch räumte Pichai ein, dass der Wandel nicht ohne Herausforderungen verlaufen werde und Google intensiv daran arbeite, die Balance zwischen Nutzerkomfort und wirtschaftlicher Fairness für Content-Anbieter zu wahren.

Warum immer mehr Suchanfragen zu keinem Klick führen

Ein wichtiger Aspekt bleibt dabei die Tatsache, dass viele Suchanfragen inzwischen entweder direkt in den Google-eigenen Angeboten beantwortet oder durch Features wie die AI Overviews abgedeckt werden. Pichai betonte jedoch, dass das Volumen der Suchanfragen insgesamt wachse und es sich nicht um ein Nullsummenspiel handle. Der Zuwachs an Suchaktivitäten biete Chancen für alle Beteiligten – sowohl für Google als auch für Publisher, wenn neue Wege der Zusammenarbeit gefunden würden.

Neue Produkte und Geschäftsmodelle

Als Beispiele für aktuelle Entwicklungen nannte Pichai NotebookLM, das neue Flow-Tool für multimediale Inhalte und Fortschritte bei Coding-IDs. KI sei für Google eine horizontale Technologie, die alle Unternehmensbereiche von der Suche bis zu Google Cloud und YouTube beeinflusse.

Da Nutzer laut Pichai bereit seien, für KI-Dienste zu bezahlen, setze Google verstärkt auf Abo-Modelle. Besonders im Bereich professioneller Tools und personalisierter KI-Assistenten werde großes Potenzial gesehen. Erste Pilotprojekte hätten gezeigt, dass Unternehmen und Entwickler bereit seien, für spezialisierte KI-Dienste und Agenten-Lösungen zu investieren. Pichai rechnet damit, dass neue Geschäftsmöglichkeiten und Einnahmequellen entstehen, auch wenn deren vollständige Tragweite erst mittelfristig sichtbar werde.

Agenten als Zukunft des Webs

Ein weiteres zentrales Thema des Interviews war die Vision eines Agenten-zentrierten Webs. Dabei handelt es sich um digitale Assistenten, die im Auftrag der Nutzer mit Webinhalten interagieren, Suchanfragen stellen und Aufgaben erledigen. Pichai beschrieb das Web dabei als eine Sammlung von Datenbanken, auf denen Benutzeroberflächen aufgebaut seien. In Zukunft könnten Agenten als eigenständige Akteure auftreten, die Informationen aggregieren, Dienste buchen oder personalisierte Inhalte erstellen.

Pichai erwartet, dass diese Entwicklung zunächst schneller in Unternehmen als bei Privatanwendern Einzug halten wird. Für Firmen stelle sich künftig die Frage, welchen Wert die Teilnahme an dieser Agenten-Welt habe und wie eigene Inhalte für Agenten besser auffindbar und nutzbar gemacht werden können. Perspektivisch sieht er Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle wie Agenten-Abos, Lizenzvereinbarungen oder Einnahmenteilungen mit Content-Anbietern, die Inhalte für Agenten bereitstellen.

Wandel mit Risiko, aber auch Chancen

Das Interview macht deutlich: Google stellt sich auf eine tiefgreifend veränderte digitale Landschaft ein. Künstliche Intelligenz wird dabei nicht nur bestehende Produkte erweitern, sondern völlig neue Nutzungs- und Geschäftsmodelle hervorbringen. Pichai bleibt dabei optimistisch, dass Google dem Web auch künftig signifikanten Traffic zuführen werde und der Wandel nicht zu einer Entwertung originärer Inhalte führen müsse – vorausgesetzt, Publisher und Plattformen finden gemeinsame Lösungen für die anstehende KI-Ära.